Entrepreneur, Investor und Business Angel Chris H. Leeb beobachtet was Startups im Data Driven Business erfolgreich macht und wie klassische Organisationen umdenken müssen.
Sie ist noch relativ jung, aber sie bestimmt schon, wo es lang geht – die Ära des Data Driven Business. Dass Daten das wertvollste Kapital eines Unternehmens sind, ist da wohl klar. Der Haken dabei: Damit Kapital Früchte trägt, muss es arbeiten. Es genügt nicht, Daten zu sammeln, man muss sie auch sinnvoll nutzen. Und je stärker die digitale Vernetzung wird, umso mehr bedeutet das, dass man sich dabei nicht nur auf die eigenen Daten beschränken kann, sondern, dass man sie mit Daten von außen anreichern, austauschen und zusammenführen muss. Genau das sieht man in heimischen Unternehmen oft skeptisch. Abgesehen von Themen wie Security und Datenschutz, tut sich dabei nämlich eine Frage auf: Wo bleibt mein USP, wenn ich meine Daten auf einer Plattform transparent mache? Diese Frage stellen sich die erfolgreichen Startups im Silicon Valley kaum, beobachtet Entrepreneur Chris H. Leeb. Mit seiner Plattform 42angelitos.com verhilft er als Investor und Business AngelStartups zum Erfolg – unter anderem, indem er sie an den kalifornischen Hotspot des Data Driven Business lotst und dort vernetzt. Dabei wird für den früheren langjährigen CIO der VA TECH AG auch immer wieder deutlich, wie klassische Organisationen komplett umdenken müssen.
Herr Leeb, wie gehen die Startups im Silicon Valley mit ihrem Kapital, den Daten und Informationen, um?
Indem man sie nicht versteckt und einsperrt, sondern zirkulieren lässt und teilt. Wenn man im Silicon Valley in irgendeinem Cafe sitzt, ist es wirklich an der Tagesordnung, dass einer erzählt, was sein Startup so tut und ein anderer sofort daran anknüpft, weil er selbst in einer ähnlichen Situation ist oder jemanden kennt, der mit Ressourcen, Kapital, oder weiteren Kontakten helfen könnte. Man gibt Informationen, die für jemanden anderen nützlich sein könnten, ohne Bedenken weiter. Es geht allerdings auch gar nicht ohne die anderen, weil man nicht die Ressourcen hat, alles alleine machen zu können. Auch unter den heimischen Unternehmen und Führungskräften gewinnen Vernetzung und Dinge wie Best Practice Sharing zunehmend an Stellenwert, aber viele haben dabei noch Bedenken, ihr erworbenes Wissen zu teilen. Hierzulande denkt man beim Geben und Nehmen von Informationen noch stark bilateral. Jeder achtet darauf, dass er beim Geben nur ja nicht ins Minus kommt und erwartet vom anderen etwas zeitnahe retour. Das führt zu einem gegenseitigen Aufrechnen, das letztlich nicht konstruktiv ist.
Für die nächste Generation ist das Teilen von Informationen etwas völlig Selbstverständliches.
Wenn man etwas weiß, warum soll man dieses Wissen nicht weitergeben? Das Web 2.0. und Social Media beruhen zur Gänze auf diesem Prinzip. Man bekommt vielleicht nicht sofort etwas im Gegenzug zurück, aber irgendwann schon und zwar spannenderweise oft nicht unbedingt vom selben Ansprechpartner, dem man etwas gegeben hat.
Abgesehen vom Teilen von Daten geht es ja darum, die vorhandenen Informationen sinnvoll zu nutzen. Was lässt sich hier von Startups abschauen?
Erfolgreiche Startups sind vom ersten Tag an stark am Feedback der Kunden interessiert, die Kunden werden sogar als wichtiges Mitglied der eigenen Produktentwicklung gesehen und dementsprechend miteinbezogen. Informationen sind also ein ganz wesentliches Element, um sich weiterzuentwickeln und Erfolg zu haben – je vielfältiger umso besser.
Das setzt sich auch bei der internen Collaboration fort, zum Beispiel indem sich bewusst unterschiedliche und einander ergänzende Persönlichkeiten und Qualitäten zusammenfinden und austauschen, beispielsweise Technik-Leute und Marketing-Köpfe. Daraus entstehen dynamische direkte Informationsflüsse in unterschiedlichen Schichten.
In klassischen Unternehmen wird viel Energie darauf aufgewendet, genau zu regeln, wer wem überhaupt etwas zu welchem Thema sagen darf.
Dort ist oft auch so, dass für völlig unterschiedliche Bereiche sehr ähnliche, konformistische Typen von Managern gewünscht werden. Als Abteilungsleiter und ganz besonders als IT-Verantwortlicher befinde ich mich da für gewöhnlich permanent in Abwehrstellung, weil ich immer erwarte, dass jemand anderer sich in meinen Bereich einmischen möchte. Da prallen zwei gegensätzliche Modelle aufeinander – das der Selbstorganisation, in der jeder seine Rolle findet und entwickelt und das der Abteilungsorganisation, in der alles in definierten Schubladen, Abläufen und Verantwortlichkeiten zugeordnet wird. Eine Abteilungsorganisation stößt bei einem Thema wie Informationsmanagement jedoch klar an ihre Grenzen – damit Informationen wirklich Nutzen und Wert bringen, müssen sie fließen und nicht in Schubladen eingeschlossen werden.
Allerdings ist es vermutlich um einiges leichter in einem kleinen Startup eine Selbstorganisation zu praktizieren als in einem großen internationalen Unternehmen mit verschiedenen Standorten.
Gerade Startups arbeiten in vielen Fällen weltweit zusammen. Davon abgesehen: In unserer Wertewelt wird das klassische Modell automatisch immer als positiv und geplant empfunden, und das der Selbstorganisation als chaotisch oder anarchistisch. Das wird allerdings zunehmend zum Problem werden, weil man sich damit den Freiraum für Kreativität nimmt. Ein Paradebeispiel für die Grenzen, an die das strukturierte, geplante Modell stößt, ist Knowledge Management: Wie will jemand das Wissen, das sich im Kopf eines anderen befindet, managen? Deshalb scheitern auch viele derartige Projekte. Die nächste Generation wendet das scheinbar chaotische Modell ganz automatisch an. Die Frage, die sich somit stellt, ist, ob man es ganz bewusst zulässt oder irgendwann ohnehin dazu gezwungen sein wird. Gerade Technologie-Verantwortliche tun sich damit für gewöhnlich sehr schwer.
Weil ein chaotisches Modell und eine Disziplin, die gewohnt ist, sehr exakt zu arbeiten, nicht zusammenpassen?
Der wesentliche Unterschied ist, dass in der Technik und der IT traditionell alles sehr geplant, berechenbar und strukturiert abläuft. Die Informatik ist sicher nicht die einzige Abteilung, für die das gilt, aber sie ist sozusagen ein Paradebeispiel.
Die meisten Unternehmen ticken top down und in festen, in der Regel hierarchischen Strukturen.
Die Ingenieurs-Philiosophie der Techniker ist es ja üblicherweise, alle Möglichkeiten vorwegzudenken und sämtliche Verbindungen, Abläufe und Prozesse vorauszuplanen. Das bringt allerdings mehrere gravierende Risiken mit sich. Das eine ist, dass man dadurch zu langsam agiert und reagiert. Außerhalb des Unternehmens läuft die Welt nämlich bereits ganz anders. Die junge Generation ist in Social Media und Networks gewohnt, bottom up und viel unmittelbarer zu agieren. Wenn sie Informationen teilen wollen, dann tun sie das sofort und warten nicht darauf, bis ein Meeting einberufen wurde und strukturierte Workflows definiert sind. Damit hängt auch das andere große Risiko zusammen, und das ist fehlende Transparenz. Klassisch aufgebaute Unternehmen generell und auch ihre einzelnen Bereiche neigen dazu, sich ihre eigene Welt zurecht zu zimmern. Alles muss in diese definierten Strukturen passen, auch wenn es mit der Welt draußen, außerhalb des Unternehmens, gar nichts mehr zu tun hat. Das schlimmste, was man sich vorstellen kann, ist vom Kunden negatives Feedback zu erhalten und damit vielleicht die Erkenntnis, dass man doch falsch liegen könnte. Das ist aber ein Irrtum – das schlimmste, was passieren kann, ist von den Kunden gar kein Feedback zu bekommen, denn dann läuft man Gefahr unter Umständen komplett an den echten Bedürfnissen des Marktes vorbeizugehen.
Von Stefan Pollach; Fotos: Lisa Resatz
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