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Kontexten: Führung, die für alle passt



Ingo Oberortner, Geschäftsführer des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Rechenzentrums, setzt auf Mitarbeiterführung ohne Angst und Druck … und dazu auf Kontexten als Methodik.



Eigentlich hat es Ingo Oberortner schon immer gewusst. Während seiner langjährigen Laufbahn als Führungskraft, größtenteils in der IT-Leitung im Finanzsektor, war ihm immer klarer geworden, dass die Art des Führens, wie er sie erlebte und selbst lebte, für ihn nicht die richtige war … und schon gar nicht die richtige für die Zukunft ist.

Also hat er begonnen, immer intensiver nach anderen Methoden zu suchen, hat sich mit gewaltfreier Kommunikation beschäftigt und mit vielem mehr. Als er vor fünf Jahren die Funktion als Geschäftsführer des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Rechenzentrums übernahm, war es an der Zeit, seine Überzeugung in die Tat umzusetzen. Und zwar in Form einer Methode, die zwar hierzulande entwickelt wurde, aber noch von wenigen Unternehmen tatsächlich praktiziert wird: Kontexten als Methode zur Mitarbeiterführung. Die Erfahrungen, die er damit machte, gibt er nun weiter.

Herr Oberortner, was hat Sie bei der Art des Führens, die Sie jahrelang kennengelernt und auch selbst als People Manager angewandt haben, gestört? Wo stößt sie an ihre Grenzen?

Es wird sehr viel mit Druck gearbeitet … mit Zielen, die du als MitarbeiterIn erreichen musst. Falls du das nicht tust, falls du scheiterst und Fehler machst, ist das ganz schlecht. Das wird uns ja schon in der Schule beigebracht. Dieses Denken hat mich nicht besser oder stärker gemacht, sondern es hat mich eher gebremst und vorsichtig werden lassen, weil ich auch Angst hatte, zu scheitern. Und auch, wenn ich immer auf Partizipation der MitarbeiterInnen geachtet habe, habe ich diesen Druck genauso weitergegeben, weil ich es ja nicht anders gelernt hatte.

Je höher man als Führungskraft aufsteigt, desto klarer wird einem, dass auch in Geschäftsführungen und Vorständen die Zielvorgaben und Entscheidungen zumeist genau nach diesem Muster entstehen. Es reicht aber nicht, einfach ein Ziel vorzugeben und überhaupt nicht zu erklären, warum und wie wir das erreichen wollen. So entsteht zwangsläufig Unsicherheit – die Ziele werden in Frage gestellt, der Prozess dorthin wird gelähmt. Und am Ende des Tages wundert man sich dann im Top-Management, warum man die Ziele nicht erreicht.

Für mich stand fest: Das Team, die Menschen, müssen von Anfang an die Entwicklung des Ziels mitgestalten, wenn sie voll dahinterstehen und sie mit ganzer Kraft erreichen sollen.

Dazu muss ich allerdings darauf achten, dass es bei unseren Entscheidungen nicht nur mir als Führungskraft und dem Unternehmensergebnis gut geht, sondern auch, wie es den beteiligten Menschen damit geht. Und ich wusste: Dafür muss ich eine Methode finden.

Spielt bei Ihrer Erkenntnis auch mit, dass sich vor allem durch die Digitalisierung die Welt und genauso das Business sehr rasch ändern und hierarchische Führungsmethoden, abgesehen vom menschlichen Faktor, auch unternehmerisch nicht tauglich für die Zukunft sind?


Natürlich spielt das dabei auch eine wichtige Rolle. Führung, wie wir sie bisher gelebt haben, kommt aus der Ära, die von den Fabriken geprägt wurde. Wo FabriksarbeiterInnen exakte Vorgaben bekamen, welche Handgriffe sie wann wo zu tun haben. Damals war diese Führung richtig, weil es sonst nicht funktioniert hätte. Aber jetzt wechseln wir in eine Ära der Wissensarbeit … wo diese Handgriffe zunehmens von Maschinen ausgeführt werden. Und wo es darum geht, Wissen, aber auch Kreativität und Innovationskraft von Menschen zu fördern. Ich kann nicht auf Anweisung innovativ sein. Ich muss einen Rahmen schaffen, damit Menschen ihre Fähigkeiten, die sie in sich tragen, umsetzen können, und damit ich sie auch zu neuen Themen mitnehmen kann. Das ist eine große, aber auch sehr schöne Herausforderung für Führung.

Wie sind Sie mit dem Kontexten als Methode zur Mitarbeiterführung gestartet?

Als ich vor fünf Jahren Geschäftsführer des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Rechenzentrums wurde, war mir klar, dass ich meine Überzeugung aus meinen Erfahrungen mit einer neuen Methodik umsetzen wollte. Mit welcher, war mir zu Beginn nicht klar. Ich wusste aber, dass Günter Strobl, mein Ex-Chef, sich mit der Kulturtechnik Kontexten beschäftigt und dabei ist, diese in die Welt zu tragen. Ich hatte damals noch nicht wirklich das Gespür, ob das genau das ist, wonach ich suche. Was mich beim Kontexten aber ansprach, war der sehr Business- und praxisorientierte Ansatz, damit Lösungen für konkrete Themen zu erarbeiten, die sich bei der Arbeit stellen. Es ist also nicht, wie ich es beispielsweise von der gewaltfreien Kommunikation und andere Methoden kannte, eine Begleitung von Arbeitsabläufen mit Fokus auf einen bestimmten Aspekt wie etwa der Kommunikation miteinander, sondern idealerweise einfach ein Teil der Arbeitsweise selbst. Und das kann ich im Rückblick nach vier Jahren bestätigen.

Viele Führungskräfte picken sich aus verschiedensten Methoden die Ansätze heraus, die ihnen für ihr jeweiliges Szenario am besten geeignet scheinen, und fügen sie dann zu einem Mix zusammen. Sie haben bewusst nach DER richtigen Methode gesucht. Warum?

Ein bissl dort, ein bissl da heraus zu pflücken ist natürlich legitim, aber für mich persönlich funktioniert das letztlich nicht. Ich glaube, man muss sich für eine Methode entscheiden und sie durchziehen, wenn sie nachhaltige Effekte bringen soll.

Natürlich ist auch das Risiko größer. Wir tun uns da als kleinere Organisation sicher leichter ... obwohl Kontexten grundsätzlich für alle Unternehmensgrößen geeignet ist. Man fängt ja auch in einem mittelständischen Unternehmen nicht bei ein paar 100 Mitarbeitern an, sondern in kleineren Teams. Wir selbst haben in zwei Gruppen mit je sieben Leuten begonnen. Das Problem in größeren Organisationen ist aus meiner Sicht eher, dass dort Strukturen und Positionen einfach sehr verfestigt sind, und sich Führungskräfte dadurch noch schwerer tun „Altes“ aufzugeben und auch loszulassen.

Und wie bringt man die Methodik den Mitarbeitern nahe?

Man startet jetzt nicht, indem man theoretisch erklärt, wie die Methode Kontexten funktioniert, oder indem man neue Prozesse oder Strukturen aufsetzt. Sondern, indem man einfach fragt: Welches Thema habt ihr aktuell, das euch beschäftigt, und bei dem nichts weitergeht. Mit solch einem Thema, das ja ohnehin da ist, wird dann begonnen. Und der Weg zur Lösung wird dann eben mit der Methode, bei der es eine Fülle von Werkzeugen gibt, begleitet. Diese verschiedenen Tools gemeinsam zu erproben, ist gerade am Anfang total spannend. Der Bogen, der sich über die Methode und all diese Werkzeuge spannt, ist, dass alle Beteiligten die gleiche Gelegenheit haben, sich einzubringen, ihre Bedenken, Bedürfnisse, Nöte … und zwar ohne, dass man Angst hat, jetzt etwas Falsches zu sagen.

Eignet sich diese Methodik für bestimmte Themen mehr und andere weniger?

Wir haben mit der Methode eine Betriebsvereinbarung für Mobile Work erarbeitet und genauso den Austausch unserer gesamten Client-Landschaft inklusive der zentralen IT-Services begleitet. Und wir haben diese Projekte auch stets mit Kontext-Tools gestartet, und das machen wir bei jedem größeren Thema. Weil diese Methodik sicherstellt, dass jeder zu einem neuen Thema zu Beginn abgeholt wird, und zwar wo er gerade ist, mit seinen Bedenken und Bedürfnissen, und nicht mitten in eine Projektgruppe und ein Thema hineinspringen muss.

Was ist das Ziel des Kontextens als Führungs-Methode?

Nachdem die Methodik wie gesagt sehr Business-orientiert ist, gelten einerseits natürlich die generellen Ziele und Kriterien für Projekte. In Summe werden die Durchlaufzeiten der Projekte viel kürzer.

In größeren Projekten macht es sehr oft irgendwann in der Mitte „Plopp“ und es bricht etwas auf, … weil eben zu Beginn nicht alles so geklärt wurde, wie man glaubt. Bei Projekten, die mit Kontexten begleitet werden, dauert zwar die Startphase in der Regel länger, aber dafür macht es bei der Umsetzung kaum einmal „Plopp“.

Weil alle abgeholt werden und sich mit ihrer Sicht einbringen kann. Und weil alle dadurch die unterschiedlichsten Sichten schon am Start kennen.

Das andere große Ziel bei einem Projekt ist ja, dass die umgesetzte Lösung auch Akzeptanz findet. Und die ist natürlich um vieles eher gegeben, wenn alle beteiligten Personen vom Start weg eingebunden sind und sich zu der Lösung committed haben. Und zwar nicht, weil sie demokratisch beschlossen wurde, sondern, weil es dazu von keinem beteiligten Menschen einen gravierenden Widerspruch gab. Es gibt aber darüber hinaus auch grundsätzliche Ziele, wenn man in die Richtung einer Methodik wie Kontexten geht.

Und wie sehen die aus?

Am Ende des Tages gilt es, die Rollen, die Führungskräfte heute einnehmen, neu zu gestalten. Die Frage ist dann eben in welchem Kontext? Meine Idee ist, dass es mich als Geschäftsführer als Letztentscheider in der heutigen Form nicht mehr braucht, dass ich dann zwar nach außen hin legistisch gesehen der Verantwortliche bin, aber innen die Entscheidungen von den jeweils Beteiligten – auf Basis von Kontexten als selbstverständlicher Arbeitsweise – getroffen werden. Und dass dabei die besten Lösungen rauskommen. Ich bin auch noch nicht dort angekommen, aber ich bin überzeugt, dass man einmal dorthin kommen kann,

Welche Fallstricke gibt es für Führungskräfte auf dem Weg dorthin, wenn Sie Kontexten als Methodik einsetzen?


Bei mir waren die die größten Stolperfallen im Kopf. Aus meiner bisherigen Erfahrung und meinem Denken heraus war anfangs meine Erwartungshaltung, dass ich nach einem Jahr alle abgeholt und das Kontexten als Arbeitsmethode etabliert habe … also, dass es da ein Ziel gibt, das es zu erreichen gilt. Wobei ich das meinen Leuten nicht gesagt habe – diese Erwartung war nur in mir. Der große Lerneffekt war, dass nicht alle gleich schnell mitziehen und auch nicht gleich schnell mitziehen können. Dass die verschiedenen Menschen auch sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten gehen, die einen schneller, die anderen langsamer. Und dass es dabei um einen echten Kulturwandel geht, und der dauert einfach die Zeit, die es braucht. Das ist nichts, was man dieses Jahr umsetzt und nächstes Jahr kommt wieder etwas anderes, das man neu aufsetzt, sondern es braucht einen langen Atem. Das Kontexten hat ja einen übergeordneten Hauptaspekt, der mich sehr anspricht, nämlich immer etwas zu tun, das dem Eigenwohl und dem Gemeinwohl gleichermaßen dient. Dazu gehört auch, jeden so zu akzeptieren, wie er ist, und zu lernen, damit umzugehen. Ich habe erlebt, dass das für viele Führungskräfte eher der lästige Teil ihres Jobs ist. Aber für mich ist es der Teil, weshalb ich Führungskraft bin: Ich wachse an meinen MitarbeiterInnen. Führung ist nicht nur für die MitarbeiterInnen, sondern auch für die Führungskräfte die Chance, sich weiter zu entwickeln.




Von Michael Dvorak; Fotos: Lisa Resatz

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